Anmelden

Nachruf

Am 7. Januar 2023 verstarb Prof. Dr. med. vet. Dr. med. vet. h. c. Otfried Siegmann im Alter von 97 Jahren. Die WPSA verliert damit einen großherzigen, international anerkannten Wissenschaftler, akademischen Lehrer und hochgeschätzten Kollegen, der den Geflügelwissenschaften und der deutschen Gruppe der WPSA eng verbunden war und durch seine Arbeit als Mitglied, als Präsident (1987 bis 1996) und ab 1996 als Ehrenmitglied des Vorstandes über viele Jahre mit Rat und Tat zur Seite gestanden hat. Prof. Siegmann war es dabei immer ein besonderes Anliegen, sich für einen intensiveren Austausch zwischen Geflügelwissenschaft, Veterinärmedizin und Geflügelwirtschaft einzusetzen.

Prof. Siegmann wurde 1926 in Heilbronn geboren und studierte nach Abitur und Kriegswirren zunächst Biologie in Stuttgart, anschließend Veterinärmedizin in Gießen und legte 1950 an der Tierärztlichen Hochschule Hannover das Staatsexamen ab. Im gleichen Jahr erlangte er die Approbation als Tierarzt und promovierte zum Dr. med. vet. lm Jahre 1965 wurde Prof. Siegmann mit der Leitung der Veterinärmedizinischen Abteilung in der Bundesforschungsanstalt für Kleintierzucht in Celle betraut. 1966 wurde Prof. Siegmann an die Tierärztliche Hochschule Hannover berufen, um die Leitung des Instituts für Tierhygiene und Geflügelkrankheiten, später „Institut für Geflügelkrankheiten", zu übernehmen.

Seine Berufung nach Hannover fiel in die Phase massiver weltweiter struktureller Veränderungen der Geflügelhaltung. Spezialisierung der Nutzungsrichtungen, neue Haltungsformen und Optimierung der Futterrezepturen führten beim Nutzgeflügel zu nie dagewesenen Steigerungen von Legeleistung und Gewichtszunahmen. So konnte der Verbraucher bald – gemessen an der Kaufkraft des Realeinkommens - 20-mal mehr Eier und Geflügelfleisch erwerben als 40 Jahre zuvor.

Diese Entwicklungen hatten weit reichende Konsequenzen für tierärztliches Handeln. Vor allem rückte die präventive Sicherung der Herdengesundheit mehr als je zuvor in den Vordergrund, da der therapeutische Arzneimitteleinsatz bereits rentabilitätsgefährdend war und Fragen zur Rückstandsproblematik aufwarf. Forschung und Lehre standen daher vor umfassenden Herausforderungen. Prof. Siegmann fokussierte daher die Forschung der – inzwischen umbenannten – Klinik für Geflügel zunächst auf die Bereiche Infektionsprophylaxe, Impfkontrollen und Erregereigenschaften. Dies bedeutete für die Herdendiagnostik, dass die Befunderhebung an einer repräsentativen Stichprobe erfolgen musste, um die gebotene Aussagesicherheit über den Gesundheitszustand einer Gesamtpopulation zu erzielen. Hierzu galt es, statistisch fundierte und praxisfähige Methoden zu erarbeiten. Diese richtungsweisenden Konzepte haben die theoretische und angewandte Geflügelmedizin national wie international nachhaltig bestimmt. In der Lehre galt es, die zukünftigen Tierärzte und Tierärztinnen auf den Umgang mit großen Populationen vorzubereiten. Die immer kürzere wissenschaftliche Halbwertzeit erforderte zugleich eine kontinuierliche Anpassung des geflügelmedizinischen Kenntnisstandes. Hierzu schuf Siegmann als Studierhilfe 1971 das „Kompendium der Geflügelkrankheiten“, dessen innovative Gestaltung die Leserschaft zu aktualisierenden Ergänzungen anregen sollte, die sich aus Lehr- und Weiterbildungsveranstaltungen ableiteten.

Die Fülle offener Fragen in der Geflügelmedizin rief überdies nach einem partnerschaftlichen Dialog und der Zusammenarbeit mit der Praxis. Hierzu etablierte Prof. Siegmann bereits 1967 mit dem „Fachgespräch über Geflügelkrankheiten“ ein Forum zum Gedankenaustausch mit den in der Geflügelmedizin tätigen Tierärztinnen und Tierärzten, dessen 100. Wiederkehr Prof. Siegmann 2021 aktiv gestaltend miterlebt hat. Anlässlich dieses Ereignisses fand auch die Verleihung des hoch dotierten „Otfried-Siegmann-Preises“ statt.

Wie sehr Prof. Siegmanns wissenschaftliche Arbeiten Anerkennung fanden, zeigen die Verleihung der Marek-Medaille, die Verleihung der Ehrendoktorwürde durch die Veterinärmedizinische Universität Budapest sowie zahlreiche andere Ehrungen. Über 150 eigene Publikationen sowie mehr als 60 Dissertationen und 5 Habilitationsschriften aus der Klinik für Geflügel seit 1966 sprechen für seine wissenschaftliche Aktivität und Anleitung.

Prof. Dr. Dr. h.c.Siegmann bleibt uns als menschlich einfühlsamer, engagierter und fachkompetenter Lehrer mit scharfem Verstand und kritischer Denkweise in Erinnerung. Seine Schüler und ehemaligen Mitarbeiter sowie Freunde und Kollegen der WPSA nehmen in Dankbarkeit Abschied von einem Menschen, dessen Lebenswerk und Persönlichkeit unvergessen bleiben werden. Unser tiefes Mitgefühl gilt seiner Familie.

Die Deutsche Vereinigung für Geflügelwissenschaft e.V. wird ihm stets ein ehrendes Andenken bewahren.

Prof. Dr. Silke Rautenschlein, Prof. Dr. Ulrich Neumann, Dr. Michael Grashorn

World's Poultry Science Association (WPSA)

Die WPSA (Weltvereinigung für Geflügelwissenschaft) wurde 1912 gegründet und hat heute rund 7000 Mitglieder in über 70 beteiligten National Branches.

weitere Informationen

European Federation der WPSA

Die Europäische Federation beherbergt fachliche Arbeitsgruppen (Working Groups).

weitere Informationen

European Poultry Science (Journal)

The Online Journal European Poultry Science publishes scientific original papers, critical reviews and reports in the whole field of poultry science. Members have free access to the full text of all journal articles.

more details